Die Vielfalt sexueller Vorlieben und Neigungen

Unrühmliche Geschichte des Abendlandes

Das dunkle Mittelalter

Über Jahrhunderte prägten die Kirchen und der monarchistische Staat mit ihrer engstirnigen Moral die Meinungen über Liebe und Sexualität. Insbesondere die katholische Kirche führte im Mittelalter für den Bereich Liebe und Sexualität, Mann und Frau einen strengen Verhaltenskodex ein, wie es in den noch viel älteren Heiligen Schriften niedergeschrieben wurde. Die Menschen sollten so Leben, wie es einige Texte von den Mächtigen instrumentalisierte Bibel, stand: Keuschheit bis zur Ehe, die Frau ist dem Manne Untertan, nur heterosexuelle Beziehungen sind erlaubt und respektiert. Geächtet und bestraft wurden alle Abweichungen von dieser Moral. Menschen, die dieser Moral nicht entsprachen, galten als sündig und mussten ausgemerzt werden. Millionen von Menschen wurden auf dem Scheiterhaufen verbrannt, insbesondere „sündige“ Frauen, die der Hexerei beschuldigt wurden. Männer, denen Sodomie oder Homosexualität vorgeworfen wurden, legten sie in Ketten und warfen sie in den Kerker. In unserer Kultur dauerte diese Schreckensherrschaft über 1000 Jahre.

Das Licht der Wissenschaften und Philosophen (Siecle de la lumiére)

Erst mit der Renaissance im 16. Jahrhundert und radikaler im Zeitalter der Vernunft und Aufklärung im 18. Jahrhundert begannen Philosophen, Wissenschaftler und Ärzte die menschliche Natur wissenschaftlich zu erforschen. Anfänglich nur den menschlichen Körper und später auch die Seele. Erst im 20. Jahrhundert getrauten Forscher, sich mit der Liebe und  der Sexualität zu befassen. Die Frage was normal oder pervers ist fand im 19. Jahrhundert Eingang in die medizinische Lehre und Forschung. Als erster begann von Krafft-Ebing in seinem Werk Psychopathia sexualis von 1894 eine systematisch Darlegung von speziellen Vorlieben und Neigungen. Menschen mit speziellen Neigungen wurden als krank, abartig oder in jüngerer Zeit als gestört bezeichnet. Heterosexualität galt als Norm und alle anderen Verhaltensweisen wurden als deviant, abartig oder krank beurteilt. Damit unterstützte die Medizin alte Vorurteile und stigmatisierte Menschen wie Homosexuelle, Fetischisten, Exhibitionisten oder Menschen mit sadomasochistischen Vorlieben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts prägte der liberalere Freud mit der Psychoanalyse und seiner Sexualtheorie stark die Diskussion um die Sexualität, bis heute.

Die sexuelle Befreiung

Die Betrachtungsweise von Sexualität und das Sexualverhalten hat sich in der Gesellschaft in den letzten 70ig Jahren völlig geändert. Die Moral der letzten 2000 Jahre wurde über Bord geworfen und wich einer sachlicheren Einstellung. Die Medizin und Psychiatrie getraute sich, auch die Sexualität und Liebe als Forschungsgegenstand zu erobern aus. Beispielsweise wird Homosexualität heute in der Medizin nicht mehr als krankhaft eingestuft und Homosexuelle werden nicht mehr diskriminiert. Die neuere Disziplin Sexualmedizin konnte sich weitgehend von den althergebrachten Vorurteilen befreien und ist redlich engagiert, die Natur der menschlichen Sexualität wissenschaftlich zu untersuchen. So ist sie daran auch die Heterosexualität, die Homosexualität sowie seltenere Phänomene des menschlichen Sexualverhaltens zu untersuchen. Die Sexualmedizin schloss sich aber nicht dem postmodernen Zeitgeist an, nachdem jegliches Sexualverhalten unterstützt werden kann. Die eine Unterscheidung von problematischem und unproblematischem Sexualverhaltens wurde etabliert. Allerdings wird nur ein Sexualverhalten als problemlos betrachtet, wenn es keine Opfer gibt. Sexuelle Gewalt oder Missbrauch werden im Einklang mit den sexuellen Rechten, wie sie die WHO definiert, verurteilt.

Sexuelle Vorurteile heute

Homosexualität wurde seit 1973 in den etablierten medizinischen Manualen DSM-3 und ICD-9 gestrichen. Homosexualität wird in der Medizin folglich nicht mehr als krank und behandlungsbedürftig diagnostiziert, sondern als eine eigenständige sexuelle Orientierung anerkannt und respektiert. Trotz der sich veränderten Einstellung in der Wissenschaft und Medien scheinen sich ein Teil der Menschen und sogar Psychotherapeuten den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verschliessen. So halten sich einige Vorurteile sowohl bezüglich Homo- wie auch Heterosexualität bei manchen Personen erstaunlich lange. Dank der wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie dem berechtigten breiten Engagement für Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung, werden diese immer seltener. Repräsentative Umfragen aus den USA zeigen, dass 1973 noch 35 – 50% der Befragten Vorbehalte gegenüber öffentlichen Auftretens von Homosexuellen hatten. Dieser Anteil ging bis 1998 auf 20-30% zurück. 2002 lehnen nur noch 10-20% die berufliche Gleichstellung ab. Für den deutschsprachigen Raum dürften ähnliche Resultate festgestellt werden. So befürwortete 2003 noch 89% der Befragten homosexuelle Abgeordnete oder Regierungsvertreter und würden sie bei entsprechender Eignung auch wählen.

Um den sexuellen Rechten auch entsprechen, und sie zu unterstützen, teilen anerkannte Wissenschaftler wie Fiedler und andere Sexualtherapeuten und –mediziner die speziellen sexuellen Vorlieben grundsätzlich in zwei Kategorien ein, a) in eher „unproblematische Neigungen“ und b) in „eher problematische Neigungen, die sogar gefahrvoll sein können“. Das Kriterium für diese Unterscheidung, ist ob es durch das Sexualverhaltens einer Person Opfer geben kann, die unter dem Sexualverhalten leiden und /oder unfreiwillig Teil des Spiels werden. Behandlungen werden dort angeboten, wo die Betroffenen oder Partner darunter leiden.

Eher nichtproblematische Vorlieben und Neigungen

Zu den nicht problematischen sexuellen Neigungen gehören solche, wo es praktisch nie ein Opfer gibt.

  •   Fetischismus
  •   Transvestismus und Transsexualität
  •   Sexueller Sadomasochismus (BDSM)

Allerdings können auch solche speziellen Vorlieben bei Mitmenschen zu Irritationen führen.

Insbesondere können Partnerschaftsprobleme auftreten. In diesen Fällen ist der Betroffene meist so stark auf seine Neigungen fixiert, dass er die Partnerin/den Partner vernachlässigt oder letztere sich nicht mehr sexuell attraktiv fühlt. Meist versucht der Betroffene seine Neigungen zu verstecken und abzustreiten, was zu einem Vertrauensverlust mit Krise in der Partnerschaft führt. Dies ist insbesondere bei süchtigem Verhalten der Fall, was durch die leichte Verfügbarkeit von elektronischen Medien stark begünstigt wird. Beispiele dafür sind Pornosucht oder Fetischismus.

Beratung/Psychotherapie

Bei genügender Motivation und Engagement beider Partner kann eine solche Krise bewältigen werden. Häufig hilft eine Beratung oder eine Paar- bzw. eine Sexualtherapie damit das gegenseitige Vertrauen wieder wachsen kann und sie die Partnerschaft weiter zu pflegen und aufzubauen in der Lage sind.

Eher problematische und gefahrvolle Neigungen

  •   Voyeurismus
  •   Exhibitionismus
  •   Frotteurismus
  •   Pädophilie
  •   Sexuelle Gewalt

Straftaten und sexuelles Recht

Sexuelle Straftaten sind Handlungen, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen gerichtet sind und somit die sexuellen Rechte verletzen. Dazu gehören:

  •   Nicht einvernehmlich erfolgte sexuelle Kontakte durch Vergewaltigung oder andere sexuelle Übergriffe
  •   Das nicht einvernehmliche Berühren anderer Personen, das sexuell motiviert ist
  •   Das öffentliche Entblössen der Geschlechtsteile, um sich sexuell zu stimulieren
  •   Sexuelle Übergriffe von Jugendlichen oder Erwachsenen auf deutlich jüngere Kinder, auch wenn es im scheinbaren Einvernehmen geschieht
  •   Sexuelle Aktivitäten mit abhängigen Personen, z. B. in Institutionen, von Ärzten, Therapeuten, Priestern oder bei privaten Kontakten

Häufigkeit

Spezielle sexuelle Vorlieben und Neigungen sind nicht häufig. Bei Menschen, die diese Neigungen ausleben, dürfte es sich um wenige Prozente der Bevölkerung handeln. Eine repräsentative Studie aus Australien aus dem Jahre 2008 ergab, dass nur jeder 56 Befragte im vorangegangenen Jahr Sadomasochismus (BDSM) praktizierte. Hingegen gaben etwa je die Hälfte aller befragten Männer und Frauen an, gelegentlich sadomasochistische Phantasien zu haben. Bei den meisten speziellen Vorlieben sind Männer deutlich übervertreten; eine Ausnahme dürfte der Sadomasochismus sein.

Was ist die Ursache für die Vielfalt menschlichen Sexualverhaltens und –erlebens?

Die Entstehung von der Vielfalt menschlichen Sexualverhaltens wird letztlich noch nicht verstanden. Im Einzelfall mögen Entstehungsgeschichten nachvollziehbar sein. Die eigentlichen Ursachen sind noch nicht bekannt. Sie sind Schicksal und nicht Wahl: Keiner hat sich seine sexuellen Präferenzen ausgesucht. Häufig treten sie in der Pubertät auf und sind dann kaum noch veränderbar. Manchmal hat ein Mensch sein Coming out erst später.

Gibt es behandlungsbedürftige sexuelle Neigungen und Vorlieben?

Da heute spezielle sexuelle Neigungen und Vorlieben nicht als krankhaft oder gestört betrachtet werden, ist grundsätzlich keine Therapie angezeigt. Nicht selten kommt es vor, dass der Betroffene oder die Partner unter einem problematischen Verhalten leiden. Menschen mit problematischen oder gefahrvollen Verhalten (z.B. beim Sadomasochismus oder Pädophilie) können lernen ihr Verhalten anzupassen: Die Initiative „kein Täter sein“ bei Pädophilen Menschen, damit sie nicht straffällig werden.

April 2019/Ap

Fetischismus

Ein wenig Fetisch steckt in jedem von uns

Fetische sind Objekte, die Menschen sexuell erregen, und der sexuellen Befriedigung dient. Fetische können unbelebte, leblosen Gegenstände sein. Bekannte, häufige Fetische sind Seide, Strümpfe, Latex oder Lederkleider Puppen. Aber auch aber auch Körperteile, wie Brüste, der Po, die Geschlechtsorgane, die Füsse, Hände, Augen, Sixpack, Bizeps, lackierte Finger- oder Fussnägel können Menschen faszinieren und sexuell erregen. Die Liste der Spielzeuge und Körperteile scheinen unendlich. Die Beispiele zeigen auch dass in der Liebe jeder seinen Fetisch findet, wie schon der französische Psychologe Alfred Binet schon 1887 schrieb. In der Medizingeschichte wurde später Fetischismus als etwas krankhaftes bezeichnet. Die moderne Sexualmedizin ist wieder zur Auffassung von Pinet zurückgekehrt.

Die Ursache, warum ein Mensch gerade auf einen bestimmten Fetisch steht, ist unbekannt. In der Forschung werde genetische und erworbene, also erlernte oder beide Möglichkeiten diskutiert. Z.B. können Fetische durch Masturbation und Pornos konditioniert werden. Fetische sind eher für Männer interessant, weil bei Ihnen im Allgemeinen eher Erregung übers optische stattfinden.

Fetische können lebenslang bestehen bleiben, gerade wenn sie schon als Kind auftraten oder können auch verschwinden, gerade wenn die Paarsexualität wichtiger wird. Fetischismus ist also etwas sehr häufiges und nicht per se problematisch oder ein gestörtes Verhalten.

Wenn das Interesse am Fetisch kann losgelöst vom Partner als Person wichtiger ist sein. Dadurch kann sich der Partner sexuell nicht mehr attraktiv fühlt, was auf das Selbstwertgefühl beeinträchtigen. Sie fühlen sich dann aussen vor, was zu Paarproblemen führen kann

Wo beginnt aber Fetisch problematisch zu werden?

Fetischismus kann selbstschädigend sein. Beispiele dafür sind das Einführen Gegenstände in Körperöffnungen oder Penis in das Staubsaugerrohr stecken. Problematisch ist auch wenn die Gesundheit des Partners beeinträchtigt wird, wie Infektionen durch Körperflüssigkeiten.

Februar 2019/Ap

Weitere Informationen 

Sexuelle Vorlieben: Ein bisschen Fetisch steckt in uns allen

Zeit PODCAST vom 26.3.2018: IST DAS NORMAL / SEXUELLE VORLIEBEN: Ein bisschen Fetisch steckt in uns allen

Transvestismus

Transvestismus bedeutet das Bedürfnis, die Kleider des Gegengeschlechts zu tragen, um sexuell erregt zu werden. Transvestiten möchten dieser Rolle akzeptiert werden. Sie haben nicht den Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlungen, wie beim Transgenderismus.

Transvestismus ist eine Art des Fetischismus, wobei die Kleidung ist der Fetisch. Transvestitismus ist unabhängig von der sexuellen Orientierung und kommt sowohl unter Heterosexuellen als auch Homosexuellen vor. Die grosse Mehrheit der Transvestiten ist männlich. Sie ziehen es vor, sich wie eine Frau zu kleiden, oder, Frauen ziehen Männerkleidung an. Die Betroffenen wollen jedoch nicht wie Transsexuelle ihr Geschlecht umwandeln. Sie haben auch nicht das Gefühl, dem anderen Geschlecht anzugehören, wie transgender Menschen.

Transvestiten diesem Verhalten meistens in der späten Kindheit. Das Verhalten geht, zumindest anfangs, mit einer intensiven sexuellen Erregung einher.

Einige Transvestiten ziehen sich nicht zur sexuellen Stimulierung Frauenkleider, sondern zum Beispiel, um Ängste abzubauen, sich zu entspannen oder um mit der weiblichen Seite seiner ansonsten männlichen Persönlichkeit zu experimentieren.

Viele Partnerinnen können den Transvestismus nicht akzeptieren oder fühlen sich nicht mehr sexuell begehrt. Allerdings gibt es auch Frauen, die damit umgehen können, sodass der Transvestismus Beziehung unter Umständen nicht schadet. In solchen Fällen nehmen männliche Transvestiten teilweise oder vollständig als Frau gekleidet an sexuellen Aktivitäten teil.

Akzeptiert die Partner den Transvestismus nicht, kann dies beim Betroffenen Ängste, Depressionen und Schuld- und Schamgefühle auslösen. Aus Angst vor einer Ablehnung verstecken Männer die Frauenkleider und laufen heimlich in Frauenkleidern herum.

ICD-10 definiert Transvestitismus als eine psychische Störung, falls der Betroffen stark darunter leidet oder sich in deinem Leben eingeschränkt fühlt. Die meisten Transvestiten führen ein ganz normales Leben, sind verheiratet, gehen einer Arbeit nach und verkleiden sich nur privat, sodass die Diagnose nicht gestellt werden kann. Einige Fachleute wie Betroffene vertreten heute die Ansicht, dass die Einstufung als Störung pathologisierend und diskriminierend ist und fordern eine Streichung des Transvestismus aus der ICD.

Behandlung

Eine Behandlung ist nur angezeigt, wenn der Transvestismus, erhebliches Leid verursacht oder die tägliche Lebensweise stark beeinträchtigt.

  •          Selbsthilfegruppen
  •          Psychotherapie
  •          Paartherapie
  •          Eventuell psychiatrische Behandlung

Nur wenige Transvestiten begeben sich in ärztliche Behandlung. Gründe Diejenigen, die sich behandeln lassen, werden möglicherweise durch einen unglücklichen Partner oder aufgrund der Sorge, wie ihr Cross-Dressing ihr gesellschaftliches Leben und ihre Arbeit beeinträchtigt, motiviert. Oder sie werden von Gerichten zur Behandlung überwiesen. Manche begeben sich in ärztliche Behandlung wegen anderer Probleme wie Missbrauch von Suchtmitteln oder Depressionen.

Selbsthilfegruppen für Männer mit Transvestismus sind oft hilfreich.

Bei einer Psychotherapie steht im Vordergrund, seine spezielle Neigung akzeptieren zu lernen und ihn bei Problemen mit sozialem Umfeld oder Ehefrau zu unterstützen. 

April 19/Ap

Exhibitionismus

Es besteht die wiederholte oder ständige Neigung, das Genitale vor meist gegengeschlechtlich Fremden in der Öffentlichkeit zu entblössen, ohne zu einem näheren Kontakt aufzufordern oder diesen zu wünschen. Meist wird das Zeigen von sexueller Erregung begleitet und kommt es zur Masturbation.
Die meisten Exhibitionisten empfinden ihren inneren Drang als schwer kontrollierbar und persönlichkeitsfremd. Wenn das Opfer erschrocken, ängstlich oder beeindruckt ist, erhöht dies häufig die Erregung des Exhibitionisten.

Voyeurismus

Es findet sich der Drang, anderen Menschen bei sexuellen Aktivitäten oder bei Intimitäten, beispielsweise beim Entkleiden, zuzusehen. Es passiert in der Regel heimlich und führt zu sexueller Erregung und Masturbation. Dem Voyeur ist die strikte Anonymität und Heimlichkeit sehr wichtig. Das Gleiche gilt für die prickelnde Gefahr, entdeckt zu werden.

Pädophilie

Was ist Pädophilie?

Pädophilie bedeutet sexuelles Interesse von Erwachsenen an Kindern, die sich zumeist in der Vorpubertät oder im frühen Stadium der Pubertät befinden. Manche Pädophile haben nur an Mädchen, andere nur an Knaben Interesse. Pädophilie kommt bei Frauen selten vor. Unter den Pädophilen gibt es auch Männer, die eigentlich erwachsene Sexualpartner vorziehen, bei der Aufnahme oder in einer Partnerschaft dauernd frustriert werden und sich deshalb ersatzweisen Kindern zuwenden. Männer, die ihre eigenen Kinder im Alter der Vorpubertät sexuell belästigen, nähern sich manchmal auch anderen Kindern. Beiden Fälle werden als Pädophilie bezeichnet.  (Definition nach ICD-10 der WHO)

Viele Menschen mit pädophilen Neigungen setze ihre Fantasien nicht in ein pädophiles Verhalten um. Erst das Umsetzen der pädophilen Neigungen und Phantasien in entsprechendes Verhalten ist problematisch.

Pädophilie ist keine Wahl, sondern Schicksal

Menschen mit Vorlieben für vorpubertäre Körper haben ihre Neigung nicht gewählt.  Wie Pädophilie entsteht ist unklar, ebenso wie andere sexuelle Orientierungen z.B. Heterosexualität oder Homosexualität. Viele Betroffene berichten, dass sie ihre Neigung im Verlauf der Jugend bemerkt haben. Allerdings ist ihnen zu diesem Zeitpunkt die pädophile Neigung gar nicht bewusst, weil Kinder noch zu nahe an ihrem Alter liegen. Meist wird ihnen erst später bewusst und müssen sich ihre Neigungen eingestehen, vielleicht wenn sie schon in einer Partnerschaft sind.

Pädophilie kann nicht wegtherapiert werden. So bleibt einem pädophilen Menschen nur, seine Neigungen zu erkennen und nicht auszuleben. Dafür sind Therapien und Prävention ausgelegt. Ein Teil der Pädophilen schließt sexuelle Kontakte mit Kindern für sich aus. Ursachen hierfür können zum einen die Befürchtung juristischer und sozialer Konsequenzen sein, zum anderen gibt es Pädophile, die sich der ethischen und moralischen Problematik ihrer sexuellen Wünsche bewusst sind und deshalb sexuelle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen grundsätzlich ablehnen.

 

Problematische Verhalten

Die neuere Disziplin Sexualmedizin konnte sich weitgehend von den althergebrachten Vorurteilen befreien und erforscht die Natur der menschlichen Sexualität wissenschaftlich. So erforscht sie auch seltenere Phänomene der menschlichen Sexualverhaltens und ordnet sie unter der Vielfalt menschlichen Sexualverhaltens ein. Allerdings wird nur ein Sexualverhalten als problemlos betrachtet, wenn es keine Opfer gibt.

Fiedler, andere Sexualtherapeuten und -mediziner teilen denn auch die speziellen sexuellen Vorlieben in grundsätzlich zwei Kategorien ein, in sexuelle Neigungen, bei denen es keine Opfer geben sollte: a) „eher unproblematische Vorlieben“ und b)„eher problematischen Neigungen, die sogar gefahrvoll sein können“ wo Opfer vorkommen. Das Kriterium für diese Unterscheidung, ist ob es Opfer geben kann, die unter dem Sexualverhalten leiden und /oder unfreiwillig Teil des Spiels werden. Behandlungen werden dort angeboten, wo die Betroffenen oder Partner darunter leiden. Folglich werden pädophile Handlungen als problematisch und gefahrvoll eingestuft. Aus diesem Grunde wurden die Initiativen «kein Täter sein» gegründet.

Prävention und Therapie

Unterdessen gibt es für Menschen, die sich vor ihren pädophilen Neigungen schützen möchten auch in der Schweiz unter der Homepage «Kein Täter werden» in Zürich, Genf, Basel und Frauenfeld Beratungsstellen, wo sie sich hinwenden können .

Strafrechtliche Aspekte

Werden pädophile Neigungen in Handlung umgesetzt, sind im Regelfall zugleich strafrechtliche Normen verletzt, die sexuelle Handlungen mit Kindern zum Gegenstand haben. Auch die Verwendung von Pornofilmen mit Kindern sind gesetzlich verboten.

Vorurteile sind weitverbreitet

Leider kursieren Halbwahrheiten und Vorurteile in gesellschaftlichen Debatten und in der Berichterstattung der Medien. Die Bezeichnung Pädophilie und Probleme werden oft nicht im sexualwissenschaftlichen Sinne verwendet. Leider wird häufig Menschen mit pädophilen Neigungen grundsätzlich unterstellt, Kinder sexuell zu missbrauchen. Personen, deren sexuelles Interesse Jugendlichen gilt, werden in der Öffentlichkeit ebenfalls oft als Pädophile bezeichnet, obwohl es sich aus sexualmedizinischer Sicht hierbei um eine hebephile Neigung handelt. Es wäre zu wünschen, dass die wissenschaftlichen Informationen in der Öffentlichkeit mehr zur Kenntnis genommen werden.

Häufigkeit: Wissenschaftliche Erhebungen stehen nicht zur Verfügung. Experten schätzen, dass 0.1 bis 1% der Bevölkerung pädophile Neigungen haben.

April 19/Ap

Weitere Informationen
Expertenartikel_Pädophilie
Pädophilie ist keine Wahl
Pädophilie_2

Zeit PODCAST vom 24.06.2019

Zeit PODCAST vom 08.07.2019

Sadomasochismus oder BDSM

Als Sadomasochismus wird in der Regel eine sexuelle Neigung verstanden, bei der ein Mensch Lust oder Befriedigung durch die Zufügung oder das Erleben von Schmerz, Macht oder Demütigung empfindet. Die Bezeichnung entsteht aus einer Zusammenziehung der beiden Begriffe Sadismus und Masochismus. Die beiden Begriffe wurden erstmals 1886 von Richard von Krafft-Ebing in seinem Buch „Psychopathia sexualis“ verwendet. Er bezieht sich hierbei auf die Werke der Schriftsteller de Sade, dessen Romane pornografische Inhalte mit Gewaltfantasien mischen, und Sacher-Masoch, der in mehreren Werken den Lustgewinn durch Schmerz und Unterwerfung schildert.

 

BDSM – ein sexuelles Rollenspiel

Es gibt Menschen zu dessen sexuellen Vorlieben sadomasochistische Sexualpraktiken gehören. Unbedenklich ist BDSM, wenn ein Paar, das sich in der Beziehung sonst auf Augenhöhe begegnet, zur Vergrösserung von Lust und Erregung einvernehmlichen BDSM beschliesst. Dafür werden vor dem BDSM – Rollenspiel vorher feste Regeln abgemacht an die sich beide halten müssen. Das gilt nicht nur für diverse Rollenspielvarianten. Gerade auch wenn bestimmte Techniken und Werkzeuge zum Einsatz kommen, ist es wichtig, sicher, einvernehmlich und mit gesundem Menschenverstand dabei zu sein.

Schlagen, Kneifen, Beißen, Fesseln, Lederklamotten und verbundene Augen. Zwei Menschen in klar definierten Rollen, entweder unterwürfig oder dominant: Das sind nur die bekanntesten Elemente von BDSM. Die sexuelle Spielart wird rasch als etwas Verruchtes, schlimmstenfalls gleich als gestörtes Verhalten stigmatisiert. Die aktuelle Sexualmedizin erachtet einvernehmlichen Sadomasochismus oft einfach als eine Vielfalt sexueller Neigungen. So sind Menschen mit sadomasochistischen Vorlieben auch nicht psychisch instabiler als andere Menschen.

Problematischer Sadomasochismus oder BDSM

Sexuelle Straftaten sind sexuelle Handlungen, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen gerichtet sind. Nicht einvernehmlicher Sadomasochismus wird als sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt oder Nötigung beurteilt und sind Straftaten. Dazu gehören Vergewaltigungen, sexuelle Belästigungen und Übergriffe.

Aber auch für Menschen, welche sich nicht genau über den Einsatz von Instrumenten wie Rohrstock, Feuer, Eis, Fesseln und Fetische oder auch Blut und andere Körperflüssigkeiten informiert und nicht entsprechend vorbereitet ist kann es schnell gefährlich werden – körperlich und seelisch. So kommen nach BDSM-Spielen immer wieder Infektionen, ungewollte Verletzungen bis zum Tod durch Ersticken vor.

Problematisch kann es auch werden, wenn der sadistische oder masochistische Partner im Alltag auch in eine entsprechende Rolle verfällt. Aus diesem Grund wurde auch von feministischer Seite die Nähe zu althergebrachten Rollenmustern aus patriarchalischer gesellschaftlichen Verhältnissen kritisiert.

März 2019/Ap

Transsexualität

Transsexualität bedeutet der Wunsch und die Überzeugung, dem anderen Geschlecht anzugehören. Ein drittes Geschlecht bezeichnet Personen, die sich in das heteronormale Geschlechtssystem („Frau“ oder „Mann“) nicht einordnen lassen (wollen).

Als Transsexuelle werden Personen beiderlei Geschlechts bezeichnet, denen es im Verlauf ihrer Entwicklung zunehmend schwerer fällt, sich mit dem biologischen Geschlecht zu identifizieren. Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit männlichem Körper fühlen sich zeitweilig oder beständig als Mädchen oder Frau, oder umgekehrt solche mit weiblichem Körper, die sich selbst als Junge oder Mann sehen. Insbesondere durch das sichtbar werden  der sekundären Geschlechtsmerkmale (Bartwuchs, Brust) in der Pubertät, kommt es bei vielen Betroffenen zu einem Leidensdruck.

Viele Transsexuelle veranlassen alles Mögliche, um ihren Körper mit dem subjektiven Identitätserleben in Übereinstimmung  zu bringen. Dieses Phänomen wird 1991 erstmals im Diagnose Manual der WHO als Transsexualität bezeichnet. Das DSM-IV wird Transsexualität  nicht mehr als eigenständige Diagnose, sondern in die Gruppe der „Störung der Geschlechtsidentität“ aufgenommen. Intersexuelle Menschen lehnen zumeist den pathologisierenden medizinischen Begriff der Störung ab und bezeichnen sich selbst als drittes Geschlecht oder Transgender.

Transgender: Die unterschiedlichen Phänomene der Geschlechtsidentitätsstörung werden heute in der Forschung wertneutraler als Transgenderismus zusammengefasst. Im Laufe der Jahre wissenschaftlicher Erforschung vom Transgender wurde immer wieder diskutiert, ob es sich überhaupt um eine sexuelle Störung handelt. Nachdem  die Homosexualität als vermeintliche  psychische Störung aus den Diagnosesystemen gestrichen wurden, wird von Betroffenen und Fachleuten ebenfalls die Streichung Transsexualität aus den Büchern für psychische Störungen (ICD oder DSM) präsentieren Forscher Entwicklungsstudien nicht Geschlechtskonformes Verhalten in der Kindheit einer späteren vermeintliche

Intersexualität (das dritte Geschlecht, früher Zwitter)

Bei intersexuellen Neugeboren kann das Geschlecht nicht eindeutig zugeordnet werden. Während das Kind im Mutterleib heranwächst, entwickeln sich seine Organe, so auch die Geschlechtsorgane und Störungen dieser Entwicklung können selten zu Intersexualität führen. Dies sind unterschiedliche Genitalanomalien z.B. kleine Hoden oder männliche und weibliche Geschlechtsorgane nebeneinander (dem sog. Hermaphrodismus). Dazu führen unterschiedliche biologische Ursachen, so Abweichungen der Geschlechtschromosomen oder genetisch bedingte hormonelle Entwicklungsstörungen (z.B. zu wenig Testosteron). Betroffene Menschen lehnen zumeist den pathologisierenden medizinischen Begriff der Störung ab und bezeichnen sich selbst als intersexuelle Menschen, Intersex, intergeschlechtliche Menschen.

Gewisse Formen von Intersexualität benötigen sofort nach Geburt eine medizinische Behandlung. Bei anderen Formen steht die psychosoziale Unterstützung durch Fachleute des heranwachsenden Kindes und seiner Eltern im Vordergrund.

Im Diagnose Manual DSM V wurde der Begriff „Gender Dysphorie“ formuliert und Intersexualität bei den psychischen Störungen aufgenommen. In der ICD-10 der WHO (Weltgesundheitsorganisation) ist Intersexualität unter Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen und „Transsexualismus“ als Störungen der Geschlechtsidentität aufgeführt. Für die medizinische Diagnose Intersexualität im ICD 10 ist Transsexualität ein Ausschlusskriterium. In der Praxis steht man vor der Herausforderung, dem Baby ein biologisches Geschlecht zuzuordnen. Lange Zeit war man der Meinung, dass bei Unklarheiten möglichst bald nach der nach der Geburt die Zuordnung zu männlich oder weiblich erfolgen sollte. Seit den 1990er Jahren wird diese Praxis aber von Erwachsenen mit Intersexsyndrom aber heftig kritisiert. Betroffenenorganisationen kritisieren zudem die Aufnahme von Intersexualität in die psychiatrischen Diagnose Manuale als pathologisierend, sexistisch und diskriminierend.

Einige Intersexuelle fühlen sich als Transgender: Manche intersexuelle Menschen sind Transgender. Die Folge der frühen Zuweisung zu einem Geschlecht, kann dazu führen, dass sich intersexuelle Menschen im späteren Leben als Transgender fühlen. Erziehungsmassnahmen der Eltern unter einem für sie nicht akzeptierten Geschlecht, können zu einer langen Zeit des Leidens führen. Viele Professionelle wie Betroffene vertreten heute die Ansicht, dass man bei Zweifel über das tatsächliche Geschlecht erst in einem späteren Alter das Geschlecht zuteilen sollte.

Im Unterschied zu Transgendern, die sich mit dem üblichen Geschlechtsbild von Mann und Frau in ihrer sexuellen Identität ungenügend beschrieben fühlen und ein anderes soziales Geschlecht («gender») beanspruchen, haben Intersexuelle (z. B. gemäss der Schweizer nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) oder dem deutschen Ethikrat) ein anderes biologisches Geschlecht («sex»). Deshalb fühlen sich einige Intersexuelle nicht als Mann oder Frau, sondern als eine eigene Genderidentität und wollen als drittes Geschlecht («inter/divers») anerkannt werden. Einige Länder wie Kanada haben Intersexualität bereits als „drittes Geschlecht“ anerkannt und in die Geburtsregister aufgenommen. In der Schweiz  wird offiziell (im Gesetz) Intersexualität nicht als eigenständiges Geschlecht anerkannt.

Häufigkeit: Tatsächliche Zahlen fehlen, was zu grossen Unterschieden in den Schätzungen führt. Einige Experten schätzen, dass 0,2 bis 1% der Neugeborenen als intersexuelle geboren werden; die Uno und die Organisation Intersex International (OII) gehen von bis zu 1,7 Prozent der Weltbevölkerung aus.

April19/Ap

Weitere sexuelle Neigungen

Es gibt eine Vielzahl anderer relativ ungewöhnlicher sexueller Präferenzen und Aktivitäten.
Hierzu gehören obszöne Telefonanrufe, das Pressen des eigenen Körpers an andere Menschen in Menschenansammlungen oder öffentlichen Verkehrsmitteln zum Zweck der sexuellen Erregung (Frotteurismus), sexuelle Handlungen an Tieren (Sodomie, sexuelle Handlungen an Toten (Nekrophilie) oder Schlafenden (Somnophilie), Strangulation und Nutzung der Anoxie zur Steigerung der sexuellen Erregung oder eine Vorliebe für Partner mit bestimmten anatomischen Abnormitäten, wie z.B. amputierten Gliedmaßen.
Das Schlucken von Urin (Urophilie), Verschmieren von Kot (Koprophilie), das Essen von Kot (Koprophagie) oder das Durchstechen von Vorhaut oder Brustwarzen (Vampirismus) können zu den sadomasochistischen Verhaltensweisen gezählt werden.
Es gibt viele verschiedene Masturbationsrituale. Ausgefallenere Praktiken wie das Einführen von Gegenständen in das Rektum oder die männliche Urethra (Harnröhre) oder die unvollständige Eigenstrangulation erreichen dann das Stadium der Abweichung, wenn sie anstelle gebräuchlicher sexueller Praktiken stehen.
Sexuelles Verlangen nach und gegebenenfalls sexuelle Befriedigung im Kontakt mit Menschen sehr hohen Lebensalters (Gerontophilie) beiderlei Geschlechts. Dabei sind hetero- und homosexuelle Varianten möglich. Wenn der Kontakt zu Greisinnen und Greisen gesucht wird, die ihre Zustimmung aufgrund ihres Geisteszustandes nicht geben können, ist es eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung.